Hansjörg Neth, Wolfgang Gaissmaier
Aus der Einleitung: Für Entscheidungswissenschaftler sind Wahlen – ungeachtet aller Warnungen – ein großartiges und größenwahnsinniges Experiment. Während wir sonst das Entscheidungsverhalten von Individuen und Gruppen in kontrollierten Laborsituationen erforschen, werden bei Wahlen die Meinungen von Millionen Menschen über mehrere Monate systematisch manipuliert und dann ein bundesweites Aggregat ihrer Mehrfachauswahlentscheidungen gebildet, das die Zusammensetzung von Parlament und Regierung und damit die Politik der nächsten Jahre determiniert. Auch wenn das Experiment ethisch nicht unbedenklich und seine Aussagekraft in Ermangelung einer Kontrollgruppe erheblich eingeschränkt ist, finden sich auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene viele Elemente wieder, deren Mechanismen wir im mikroskopischen Maßstab aus unseren Studien kennen.
Bella Z. Veksler, Rachel Boyd, Christopher W. Myers, Glenn Gunzelmann, Hansjörg Neth, Wayne D. Gray
Abstract: Visual working memory (VWM) is a construct hypothesized to store a small amount of accurate perceptual information that can be brought to bear on a task. Much research concerns the construct’s capacity and the precision of the information stored. Two prominent theories of VWM representation have emerged: slot-based and continuous-resource mechanisms. Prior modeling work suggests that a continuous resource that varies over trials with variable capacity and a potential to make localization errors best accounts for the empirical data. Questions remain regarding the variability in VWM capacity and precision. Using a novel eye-tracking paradigm, we demonstrate that VWM facilitates search and exhibits effects of fixation frequency and recency, particularly for prior targets. Whereas slot-based memory models cannot account for the human data, a novel continuous-resource model does capture the behavioral and eye tracking data, and identifies the relevant resource as item activation.
Wolfgang Gaissmaier, Hansjörg Neth
Fazit: Unsere Welt mag sicher oder unsicher sein, aber wird immer eine ungewisse bleiben. Wir sollten uns von der Illusion ihrer umfassenden Berechen- und Kontrollierbarkeit verabschieden, ohne deswegen in Angststarre zu verfallen. Denn gute Entscheidungen sind dennoch möglich und beruhen auf einer angemessenen Einschätzung unserer Ausgangslage: Je berechenbarer eine Situation ist („Risiko“), desto mehr brauchen wir statistisches Denken und komplexe Modelle; je unberechenbarer eine Situation ist („Ungewissheit“), desto mehr brauchen wir einfache Heuristiken, einschlägige Erfahrung und Vertrauen auf Intuition (vgl. Abbildung 1). Dabei handelt es sich bei Risiko und Ungewissheit um Pole eines Kontinuums, so dass es sich bei den meisten Situationen um einen Zwischenzustand handeln dürfte. Die Kunst des guten Entscheidens besteht darin, zu wissen, wo auf diesem Kontinuum wir uns befinden, um das jeweils passende Entscheidungswerkzeug geschickt auszuwählen und gezielt zum Einsatz zu bringen. Und sie erfordert den Mut, Entscheidungen nicht zu verschieben oder zu vermeiden, sondern sie beherzt zu treffen und die Verantwortung für ihre Konsequenzen zu tragen.
Hansjörg Neth, Gerd Gigerenzer
We distinguish between situations of risk, where all options, consequences, and probabilities are known, and situations of uncertainty, where they are not. Probability theory and statistics are the best tools for deciding under risk but not under uncertainty, which characterizes most relevant problems that humans have to solve. Uncertainty requires simple heuristics that are robust rather than optimal.