(vs. uncertainty)
Hansjörg Neth, Wolfgang Gaissmaier
Aus der Einleitung: Für Entscheidungswissenschaftler sind Wahlen – ungeachtet aller Warnungen – ein großartiges und größenwahnsinniges Experiment. Während wir sonst das Entscheidungsverhalten von Individuen und Gruppen in kontrollierten Laborsituationen erforschen, werden bei Wahlen die Meinungen von Millionen Menschen über mehrere Monate systematisch manipuliert und dann ein bundesweites Aggregat ihrer Mehrfachauswahlentscheidungen gebildet, das die Zusammensetzung von Parlament und Regierung und damit die Politik der nächsten Jahre determiniert. Auch wenn das Experiment ethisch nicht unbedenklich und seine Aussagekraft in Ermangelung einer Kontrollgruppe erheblich eingeschränkt ist, finden sich auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene viele Elemente wieder, deren Mechanismen wir im mikroskopischen Maßstab aus unseren Studien kennen.
Wolfgang Gaissmaier, Hansjörg Neth
Fazit: Unsere Welt mag sicher oder unsicher sein, aber wird immer eine ungewisse bleiben. Wir sollten uns von der Illusion ihrer umfassenden Berechen- und Kontrollierbarkeit verabschieden, ohne deswegen in Angststarre zu verfallen. Denn gute Entscheidungen sind dennoch möglich und beruhen auf einer angemessenen Einschätzung unserer Ausgangslage: Je berechenbarer eine Situation ist („Risiko“), desto mehr brauchen wir statistisches Denken und komplexe Modelle; je unberechenbarer eine Situation ist („Ungewissheit“), desto mehr brauchen wir einfache Heuristiken, einschlägige Erfahrung und Vertrauen auf Intuition (vgl. Abbildung 1). Dabei handelt es sich bei Risiko und Ungewissheit um Pole eines Kontinuums, so dass es sich bei den meisten Situationen um einen Zwischenzustand handeln dürfte. Die Kunst des guten Entscheidens besteht darin, zu wissen, wo auf diesem Kontinuum wir uns befinden, um das jeweils passende Entscheidungswerkzeug geschickt auszuwählen und gezielt zum Einsatz zu bringen. Und sie erfordert den Mut, Entscheidungen nicht zu verschieben oder zu vermeiden, sondern sie beherzt zu treffen und die Verantwortung für ihre Konsequenzen zu tragen.
Hansjörg Neth, Gerd Gigerenzer
We distinguish between situations of risk, where all options, consequences, and probabilities are known, and situations of uncertainty, where they are not. Probability theory and statistics are the best tools for deciding under risk but not under uncertainty, which characterizes most relevant problems that humans have to solve. Uncertainty requires simple heuristics that are robust rather than optimal.
Hansjörg Neth, Neele Engelmann, Ralf Mayrhofer
Abstract: Do we invest irrational amounts of effort into keeping options viable, or do we manage available and threatened options in an adaptive fashion?